Könnten Pferde sprechen, dann könnten wir sie ganz einfach fragen, wie es ihnen geht, ob sie mit allem, wie es ist, zufrieden sind, was sie sich wünschen und ob es etwas gibt, was sie stört oder was sie ändern würden. Wir hätten es so leicht: einfach fragen und wir bekommen eine Antwort und können etwas ändern. Als Pferdebesitzer liegt uns das Wohlbefinden unserer Tiere sehr am Herzen, denn wenn es dem Pferd gut geht, dann geht es auch dem Reiter gut.
Als Wohlbefinden bezeichnet man sowohl ein gutes körperliches als auch seelisches Befinden. Das Wohlbefinden ist gleichzusetzen mit Zufriedenheit und laut Duden spricht man von Zufriedenheit, wenn man zum einen innerlich ausgeglichen ist und nichts anderes verlangt als das, was man hat und zum anderen mit den gegebenen Verhältnissen einverstanden ist und nichts daran auszusetzen hat.
Doch wie kann man nun sagen, ob das Wohlbefinden des Pferdes als gut, eventuell nur als eingeschränkt oder gar schlecht zu bezeichnen ist? Wie leicht lässt sich das herausfinden und kann man hierfür bei jedem Pferd das gleiche Schema anwenden?
Als Pferdebesitzer glaubt man, sein Pferd zu kennen. Man kennt seine Vorlieben, seine Stärken, Schwächen und „Macken“. Doch haben wir uns eigentlich mal überlegt, warum unser Pferd vielleicht diese eine Macke hat? Ist das eigentlich normal? Oder ist das vielleicht die Antwort auf etwas, womit das Pferd nicht klarkommt?
Verhaltensstörungen oder auch Stereotypien genannt, welche vom Besitzer häufig als (kleine oder größere) Macken wahrgenommen werden, entstehen dadurch, dass ein gewisser Grad, bis zu welchem sich das Pferd an seine Umwelt anpassen kann, überschritten wurde. Diesen Grad der Anpassungsfähigkeit kann man nicht pauschal bestimmen – er ist von Pferd zu Pferd, je nach Sensibilität, unterschiedlich. Ein Beispiel für eine Stereotypie ist das Koppen, das auch im Zusammenhang zu Magenerkrankungen steht.
Und wie finde ich nun heraus, ob sich mein Pferd wohl fühlt, ob es mit dem, was ihm gegeben ist, zufrieden ist? Gibt es Schrauben, an denen ich drehen kann, um das Wohlbefinden meines Pferdes zu steigern?
Als Pferdebesitzer hat man die Wahl, wie man sein Pferd hält. Die meisten Pferde werden in Boxen (mit oder ohne Paddock oder Weidegang) oder in Offenställen gehalten. Der Großteil der Pferde steht in Pensionsställen, sodass man sich um die Versorgung des Pferdes in der Regel keine Gedanken machen muss. Die Pferde werden gefüttert, die Boxen gestreut und gemistet und, wenn gewünscht, werden die Pferde rein und rausgebracht. Dies ist für die meisten am bequemsten, gerade wenn man berufstätig ist.
Je nachdem, wie es der Geldbeutel zulässt, steht das Pferd in einem mehr oder weniger luxuriösen Reitstall. Je mehr Extras man wünscht, desto tiefer muss man in die Tasche greifen. Schließlich hat alles seinen Preis: zum Beispiel das Solarium, das Besitzer vor allem im Winter gerne für ihr Pferd nutzen, die großzügige Paddockbox, der Einzelpaddock, damit Stütchen nicht von anderen Pferden einen auf den Deckel bekommt und man dann womöglich drei Tage nicht reiten kann oder der Gamaschenservice, damit auf der Weide ja kein Risiko eingegangen wird.
Doch sind all dies Dinge, die unser Pferd zu einem glücklicheren Pferd machen? Haben wir unser Pferd mal beobachtet, ob es wirklich am zufriedensten in der großzügigen, hellen Paddockbox vorne in der Stallgasse ist, in der es nichts, was auf dem Hof geschieht, verpasst? Oder haben wir uns mal Gedanken gemacht, woher die Boxenunruhe, das gelegentliche Weben oder die Magenprobleme kommen? Gibt es für Verhaltensauffälligkeiten oder Krankheiten eventuell einen ganz banalen Grund? Ist unser Pferd mit der schönsten Box des Reitstalls vielleicht gar nicht so zufrieden, wie wir es sind?
Gerade bei den Haltungsbedingungen lohnt es sich, auf sein Pferd zu hören, bzw. sich sein Pferd genau anzuschauen. Gibt es Indikatoren, die eventuell dafür sprechen, dass sich unser Pferd nicht wohlfühlt und gestresst ist? Das, was für uns am schönsten scheint und am bequemsten ist, ist nicht gleichzeitig auch am besten für unser Pferd.
Manchmal ist es ein einfacher Boxenwechsel, der viel bewirken kann, weil vorne in der Stallgasse zu viel los ist oder weil sich das Pferd nicht mit dem Boxennachbarn verträgt. Und dann ist es im Endeffekt die Box hinten in der Ecke, in der sich unser Pferd viel wohler fühlt – die Box, die wir eigentlich nicht so toll fanden, weil es dort nicht so hell ist.
Oder ist es vielleicht der Offenstall, der so gar nicht „fancy“ ist und nur über einen holprigen Sandweg zu erreichen ist, der unserem Pferd am besten tut. Natürlich ist dies auch eine Einstellungssache unsererseits. Meist sind Offenställe für uns mit mehr Arbeit verbunden, es gibt keine zwei großen Hallen, die wir nutzen können, kein Solarium, unter das wir unser Pferd im Winter zum Trocknen lassen stellen können und dann muss man eventuell abends nach der Arbeit das Pferd ganz hinten von der Weide aus der Herde holen, um reiten zu können, anstatt es einfach aus seiner Box zu ziehen.
Aber haben wir eigentlich mal darüber nachgedacht, dass unser Pferd vielleicht mit „Weniger“ viel glücklicher ist? Und mal ganz ehrlich? Was bringt uns der tollste Stall mit den besten Bedingungen zum Trainieren, wenn unser Pferd unzufrieden und gestresst ist?
Unzufriedenheit und Stress machen unsere Pferde auf die Dauer krank, ihre Leistungsbereitschaft sinkt und schlussendlich haben wir nichts erreicht. Wir alle wünschen uns einen Partner, der zufrieden und ausgeglichen ist, motiviert und bereit ist, für und mit uns zusammen Leistung zu erbringen! Und Wohlbefinden können wir nicht nur durch die Haltung unserer Pferde beeinflussen, sondern auch durch unser Reiten und durch das, was wir von unserem Pferd verlangen bzw. verlangen können.
Dich interessiert, warum Pferde zu Stress neigen und was Du tun kannst, um sie vor stressigen Situationen zu bewahren? Lies auf unserer Übersichtsseite zum Thema Stress unter anderem über die 5 Freiheiten zur Analyse von Stressauslösern.