Tanja Prüll, ansässig in Hessen, ist Tierheilpraktikerin, Pferde- und Hundephysiotherapeutin (DIPO), Tierakupunkteurin, DIPO-zertifizierte Sattelexpertin und Steward Eventing (FEI Level 2). Pferde mit Magenproblemen sind in ihrem Alltag keine Seltenheit mehr. Im Interview mit Equine 74 erzählt sie von ihren Erfahrungen in der Praxis, welche Fütterungsfehler zu Magenschleimhautreizungen führen und welche Symptome typische Warnzeichen für ein Magengeschwür beim Pferd sind.
Equine 74: Behandelst du in der Praxis viele Pferde, die an Magenschleimhautreizungen oder Magengeschwüren leiden?
Tanja Prüll: "Vom Gefühl her treten Magenschleimhautreizungen beim Pferd immer öfter auf. Ich fürchte das dort die Dunkelziffer aber noch viel höher ist. Während meinen Behandlungen habe ich öfter mal das Gefühl, dass es eine Magenschleimhautreizung sein könnte. Eine vermeintliche Problematik des Bewegungsapparates entpuppt sich dann schlussendlich als Magenschleimhautreizung."
"Manchmal ist es auch so, dass die Pferdebesitzer, vor allem, wenn sie eine längere Leidensgeschichte hinter sich haben, dann auch schon mit der Diagnose Magengeschwür zu mir kommen."
Equine 74: Welche Magengeschwür-Symptome siehst du am häufigsten?
Tanja Prüll: "Das erste Symptom, das Reiter bemerken, ist meistens die Empfindlichkeit beim Putzen. Aussagen wie: "Oh, der ist so kitzelig", sind dann keine Seltenheit. Kein Pferd ist grundlos kitzelig - es ist ein Zeichen von Verspannung. Ich bemerke bei der Behandlung der Pferde, dass sie sehr empfindlich beim Aufwölben des Rückens sind, einige treten sogar nach der Hand, da es ihnen wahnsinnig unangenehm ist."
"Dann gibt es noch die Pferde, die vermeintlich Sattelzwang haben, was aber eigentlich ein Gurtzwang ist. Wenn ich als Mensch Magenschmerzen habe, mag ich auch keinen Gürtel tragen. Alles was so an der unteren Bauchseite drückt, ist unangenehm."
"Wenn ich ein Pferd vor mir habe, das total abgemagert ist und die Besitzer mir auch noch sagen: "Der frisst so schlecht", dann weise ich immer auf die Möglichkeit einer Magenschleimhautreizung hin."
"Ein anderes Beispiel: Wenn Pferde wegen Unrittigkeit zu mir kommen oder total faul sind, ich aber keinerlei Blockaden finden kann, dann muss ich auch weiter denken. Wenn Pferde sich in kurzer Zeit stark verändern, sollte das Tier auf jeden Fall durchgecheckt werden. Umwelteinflüsse wie ein Umzug oder enorm viel Stress spielen natürlich eine wichtige Rolle."
"Anatomisch gesehen kann Pferden mit Magenschleimhautreizungen auch das Liegen Schmerzen bereiten. Sie liegen ungerne auf der linken Seite und auch das Aufstehen ist schmerzhaft. Ich habe andererseits auch mal ein Pferd gesehen, dass wie ein Hund auf dem Bauch gelegen hat, um über den Druck die Schmerzen zu lindern. Das gibt es durchaus auch."
Equine 74: Zeigen Pferde die Symptome auch nach einem ausgeheilten Magengeschwür weiterhin, da sie sich an die Schmerzen erinnern?
Tanja Prüll: "Die körperlichen Symptome werden besser, aber Symptome, wie Belecken von Gegenständen können bleiben. Beim Belecken wird Speichel produziert, der als natürlicher Magensäurepuffer fungiert. Das Pferd erinnert sich dann, dass dieses Verhalten in der akuten Situation Linderung verschafft hat. Pferde haben ein sehr ausgeprägtes Schmerzgedächtnis. Verhaltensänderungen gehen als letztes weg."
Equine 74: Kommen die Pferdebesitzer präventiv zu dir oder meist erst wenn das Pferd schon körperliche Probleme hat?
Tanja Prüll: "Die meisten Reiter kommen, wenn schon körperliche Probleme beim Pferd erkennbar sind. Meist ist es ja auch ein schleichender Prozess. So werden Probleme sehr spät entdeckt. Die Kunden, die ich schon länger betreue, sind auf das Thema Magen mehr sensibilisiert, sodass sie präventiv oder bei den ersten Anzeichen zu mir kommen. Die Behandlung ist dann natürlich einfacher."
Equine 74: Werden die Besitzer sensibler, was das Thema Pferdemagen angeht oder sind sie oftmals von der Diagnose Magengeschwür überrascht?
Tanja Prüll: "Das Wort Magengeschwür ist sehr negativ behaftet, Magenschleimhautreizung hört sich deutlich besser an, um erstmal auf das Thema zu sensibilisieren. Inzwischen reagieren die Pferdebesitzer schon empfänglicher, weil das nicht mehr so ein Tabuthema ist, wie früher. Man weiß heute einfach, dass Magengeschwüre häufig vorkommen. Die Entstehung einer Magenschleimhautreizung kann ganz viele Ursachen haben, um darauf aufmerksam zu machen, muss ich nur diplomatisch dran gehen, damit sich die Besitzer nicht überfallen fühlen und sich auf das Thema besser einlassen können."
"Viele Besitzer haben direkt das Gefühl, sie hätten etwas falsch gemacht und wären selbst daran schuld. Das hört kein Pferdebesitzer gerne und es ist auch nicht immer der Fall. Ganz viele Einflussfaktoren spielen bei der Entstehung von Magengeschwüren eine Rolle. Manchmal liegt die Ursache sogar länger zurück, als das das Pferd überhaupt im Besitz ist."
Equine 74: Welche Fütterungsfehler kommen in der Praxis häufig vor?
Tanja Prüll: "Definitiv zu lange Fresspausen, über vier Stunden, das ist leider eher die Regel als die Ausnahme. Es gibt viel zu viele Ställe, die nur zweimal am Tag Raufutter füttern. Häufig wird dann auch noch viel zu viel Kraftfutter und zu wenig Raufutter gefüttert, hier stimmt das Verhältnis nicht. Die meisten Pferde wären mit Raufutter vollkommen ausreichend versorgt und bräuchten kein Kraftfutter. Der Energiebedarf ist meist niedriger, als die Besitzer denken. Die Raufutterfütter obliegt allerdings oftmals dem Stallpersonal oder dem Stallbesitzer, sodass ich die Einsteller gar keinen Einfluss auf die Raufutterfütterung haben- weder auf Menge noch auf Qualität. Auch eine Schimmelpilzbelastung kann Auslöser für Magenprobleme beim Pferd sein."
Im zweiten Teil des Interviews erfährst du, welche Auswirkungen Bauchschmerzen auf die gesamten Muskulatur haben und ob du anhand einer Bioresonanz ein Magengeschwür diagnostizieren kannst. Sei gespannt!
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