Was ist die Ursache für Kotwasser und Blähungen beim Pferd?
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Pferde sind beeindruckende Tiere, die jedoch oft unter empfindlichen Magenproblemen leiden können. Die Gesundheit des Pferdemagens ist entscheidend für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit unserer geliebten Vierbeiner. Ein unausgeglichener Magen-Darm-Trakt kann nicht nur zu Magengeschwüren, sondern auch zu ernsthaften gesundheitlichen Komplikationen führen. In diesem Artikel tauchen wir tief in die Welt des Magenschutzes ein und beleuchten, wie verschiedene Ansätze wie Magenschoner, Säurepuffer und Säureblocker dazu beitragen können, die Magengesundheit von Pferden zu unterstützen.
Wurden Magengeschwüre bei deinem Pferd diagnostiziert, kommt in der Therapie meist zunächst ein Magensäureblocker (Protonenpumpenhemmer), das allseits bekannte Omeprazol, zum Einsatz. Spätestens nach der Akutphase stellt sich die Frage, wie du den Pferdemagen zukünftig schützen kannst. Hier treten die Begriffe “Magenschutz”, “Magenschoner” “Säurepuffer” und “Säureblocker” immer wieder auf. Ein stabiler Schutz der Magenwände, unterstützt durch spezifische Inhaltsstoffe, ist essenziell, um die empfindliche Magenwand vor Säuren zu schützen und die Regeneration der Magenschleimhaut zu fördern. Besonders bei stressanfälligen oder bereits geschwächten Pferden ist es wichtig, die Schutzmechanismen durch bedarfsgerechte Fütterung zu stärken.
Doch was ist eigentlich die genau Definition, bzw. wodurch lassen sich die drei voneinander unterscheiden und wann kommen sie zum Einsatz?
Pferde sind aufgrund ihrer besonderen Anatomie und Physiologie anfällig für Magenprobleme. Der Magen eines Pferdes ist relativ klein und produziert kontinuierlich Magensäure, die idealerweise durch das Bicarbonat im Speichel ausgeglichen wird. In der Natur funktioniert das überwiegend recht gut. Das Pferd als "Steppentier" ist es gewohnt, rund um die Uhr in jeweils kleinen Mengen Nahrung aufzunehmen. Auf diese Fütterung ist der Verdauungstrakt des Pferdes noch immer eingerichtet. Probleme entstehen, wenn der Mensch davon abweicht oder Pferde aufgrund von unter anderem Vorerkrankungen, Stress oder genetischen Abweichungen einen noch sensibleren Magen entwickeln.
In solchen Fällen reicht der natürliche, eigene Magenschutz des Pferdes nicht mehr aus und muss unterstützt werden.
Magensäureblocker: Korrekt: Protonenpumpenhemmer. Sie unterbinden die Produktion von Magensäure fast vollständig.
Magensäurepuffer: Bindet überschüssige Säure im Pferdemagen, blockiert deren Produktion aber nicht. Die Kernfunktionen der Magensäure für die Verdauung bleiben erhalten.
Magenschutz oder Magenschoner: Legt sich wie ein Schutzfilm auf die Magenschleimhaut und schützt diese dadurch vor direktem Kontakt mit der Magensäure
Um zu verstehen, welcher Ansatz wann erfolgversprechend ist, müssen wir die Funktion und Arbeitsweise des Pferdemagens verstehen.
Magensäure wird in Bezug auf Magengeschwüre häufig negativ assoziiert, dabei ist sie lebenswichtig! Sie hat die Fähigkeit, Nahrung im Magen aufzuspalten, sodass Nährstoffe im Darm verwertet werden können. Außerdem wird der Keimgehalt des Futters durch die Säure reduziert. Das Pferd kann also absolut nicht längerfristig auf die Magensäure verzichten! Ein Überschuss an Magensäure kann deinem Pferd allerdings auch schnell Kummer bereiten.
Der Pferdemagen lässt sich grob in zwei Bereiche unterteilen:
Drüsenloser - oberer - Bereich des Magens
Der obere Teil des Magens ist von einer drüsenlosen Schleimhaut ausgekleidet, hier erfolgt die mikrobielle Zersetzung.
Drüsenhaltiger - unterer - Bereich des Magens
Eine drüsenhaltige Schleimhaut ist im unteren Teil des Magens zu finden, hier wird das Enzym Pepsin und die Magensäure produziert. Eine dicke Schleimhautschicht schützt den Magen vor der Selbstverdauung.
In beiden Bereichen sowie am Magenausgang können Magengeschwüre auftreten. Aufgrund der unterschiedlichen Beschaffenheit ist die Behandlung und Prävention aber jeweils unterschiedlich.
Im Gegensatz zu Menschen produzieren Pferde rund um die Uhr Magensäure. Der Gegenspieler dazu ist der Speichel, dessen Produktion durch Kauen angeregt wird. Dieser enthält reichlich Bicarbonat, einen natürlichen Magensäurepuffer. Im Idealfall sind Speichel- und Magensäureproduktion im Gleichgewicht.
Die Kauaktivität und damit die Speichelproduktion von Pferden ist abhängig vom Futtermittel. Beim Kauen von 1 kg Raufutter werden zwischen 3-5 l Speichel produziert, bei Kraftfutter nur 1-1,5 l.
Werden große Mengen an wenig eingespeicheltem Kraftfutter aufgenommen, kann es dazu kommen, dass sich Magensäure und Bicarbonat nicht mehr im Gleichgewicht befinden. Je weniger Bicarbonat in den Magen gelangt, desto niedriger wird der pH-Wert im Magen. Der Wert gibt an, wie sauer (1-6), neutral (7) oder basisch (8-14) eine Lösung ist. Während der Passagezeit sinkt der pH-Wert von 6 auf 3 ab, der Magen wird immer "saurer".
So erklärt sich auch, weshalb lange Fresspausen oder Kraftfuttergabe vor Raufutter für Pferde so problematisch sind.
Wird das Pferd auf leeren Magen bewegt, vor allem im Trab und Galopp, kann die Magensäure "überschwappen" und auf die drüsenlose, sensible Schleimhaut treffen.
Pferde mit Magenproblemen sind häufig beim Reiten widersetzlich. Überschwappende Magensäure ist bei bereits vorhandenen Magengeschwüren extrem schmerzhaft. Hier wird sprichwörtlich "Salz in die Wunde gestreut".
Auch bei gesunden Pferden sollte dieses Überschwappen vermieden werden, um Reizungen und Verletzungen der drüsenlosen Schleimhaut vorzubeugen.
Eine Übersäuerung, das heißt ein zu hoher pH-Wert im Magen, kann die sensible, drüsenlose Schleimhaut des Magens bereits nach 24– 48 Stunden nachhaltig schädigen. Magenschleimhautreizungen oder Magengeschwüre sind die Folge. Die Heilung ist abhängig vom Schweregrad, der Lokalisation und der Dauer der Erkrankung. Zusätzlich kann Stress die Durchblutung der Magenschleimhäute senken, sodass vermehrt Magensäure produziert wird. Ein Teufelskreis also.
Magenschutz-Präparate, auch Magenschoner genannt, legen sich wie ein Film auf die Magenschleimhaut und bilden ein Schutzschild vor Säureangriffen. Es erfolgt keine Reduzierung oder Puffern der Magensäure, sondern die Schleimhaut bekommt lediglich Zeit sich zu erholen. Diese Präparate fördern den Schutz der empfindlichen Magenwand und unterstützen die Regeneration der Magenschleimhaut.
Natürlicher Magenschutz: Leinsamen
Gekochter Leinsamen ist der Klassiker unter den natürlichen Magenschützern. Seine Schleimstoffe kleiden den Magen aus und schützen die Schleimhaut.
Ebenfalls viele Schleimstoffe enthält Hafer, der zu Unrecht bei Magenproblemen gern verteufelt wird.
Ergänzungsfuttermittel auf Basis von Pektinen eignen sich zusätzlich für die Behandlung. Pektine sind Zellwandbestandteile, die in Zuckerrübenschnitzeln, Weizenkleie, Rote Beete, Apfeltrester sowie in fruktanarmen Gräser wie Wiesenlieschgras und Rotschwingel enthalten sind. Neben Pektinen ist auch das Phospholipid Lecithin als Magenschoner bekannt. Es unterstützt die natürlichen Schutzmechanismen der Magenschleimhaut.
Ein effektiver Magenschutz für Pferde basiert meist auf spezifischen Inhaltsstoffen, die die Magenschleimhaut schützen. Dazu gehören vor allem Schleimstoffe wie Pektine, die eine schützende Schicht auf der Magenschleimhaut bilden. Antioxidantien und Kräuter wie Isländisch Moos können zusätzlich entzündungshemmend wirken. Ungesättigte Fettsäuren unterstützen die allgemeine Gesundheit des Magen-Darm-Traktes.
Aufmerksame Leser werden die Zutaten oben im Artikel bereits erkannt haben. Das beliebte, selbstgemachte "Schlonzi" ist ein guter, natürlicher Magenschutz für Pferdebesitzer, die diesen regelmäßig frisch zubereiten können.
Das Grundrezept basiert auf Rübenschnitzeln, Haferflocken und Öl (Leinöl), allerdings hat fast jeder sein Lieblingsrezept. Eine schöne Ergänzung ist zum Beispiel gekochter Leinsamen.
Anders als ein Magenschutz wirkt der Säurepuffer nicht direkt an der Magenschleimhaut, sondern puffert die überschüssige Magensäure ab, bevor sie die Schleimhaut überhaupt erreichen kann.
Magensäurepuffer fangen nur die überschüssige Magensäure auf. Sie blockieren die Säureproduktion aber nicht. Das heißt, die für die Verdauung notwendige Magensäure bleibt erhalten.
Es gibt basische, neutrale und saure Lösungen: Säurepuffer (Antazida) sind basische Substanzen, die die Magensäure neutralisieren können, indem sie den pH-Wert anheben.
Bicarbonat (Natriumhydrogencarbonat) aus dem Speichel ist ein Beispiel für einen natürlichen Säurepuffer. Bikarbonat kann aber auch in der Fütterung ergänzt werden. Häufig wird dazu Natron (Bestandteil von Backpulver) verwendet. Es gibt aber auch zahlreiche Ergänzungsfutter für Pferde im Handel, die Bicarbonat enthalten.
Equine 74 Gastric zählt ebenfalls zu den Magensäurepuffern. Es enthält Calciumcarbonat, dessen Ursprung eine spezielle Rotalge ist. Equine 74 Gastric kann aufgrund der bienenwabenähnlichen Struktur der Rotalge überschüssige Magensäure wie ein Schwamm aufnehmen.
Dies sorgt für ein ausgeglicheneres pH-Niveau im Pferdemagen. Zudem gelangt der Futterbrei nicht übersäuert in den Darm. Folglich ist die Darmflora mehr und mehr im Gleichgewicht, wodurch die Darmmikroben besser arbeiten können. Dies führt meist zu einer verbesserten Verwertung des gesamten Futters.
Gut zu wissen: Alge ist nicht gleich Alge, obwohl sie alle sehr ähnlich klingen. Es gibt wichtige Unterschiede in der Qualität und in der Wirkung. In unserem Artikel Rotalgen für Pferde gehen wir genauer darauf ein.
Bikarbonat hat nur eine sehr begrenzte Wirkdauer. Es verweilt nur ca. 1/2 Stunde im Magen des Pferdes. Equine 74 Gastric erreicht aufgrund der besonderen Beschaffenheit eine Wirkdauer von bis zu 8 Stunden. Dieser Futterzusatz sollte daher im Idealfall morgens und abends gegeben werden, um eine längere Pufferwirkung zu erreichen.
Säureblocker hemmen die Säureproduktion, indem sie die Protonen-Pumpe blockieren. Säureproduzierende Zellen, wie die Drüsen im unteren Magenbereich, sind auf Protonen angewiesen, um Magensäure produzieren zu können. Werden die Pumpen, die für den Protonentransport verantwortlich sind, blockiert, wird folglich bis zu 99 % weniger Säure gebildet, sodass die Magenwand Zeit bekommt sich zu regenerieren.
Der einzige für Pferde zugelassene Protonenpumpenhemmer ist Omeprazol. In der Behandlung von akuten Magengeschwüren ist diese fast vollständige Unterbindung der Magensäureproduktion sinnvoll, damit die Magenschleimhaut auf keinen Fall erneut gereizt wird.
Allerdings kann die Magensäure dann auch ihre Aufgaben in der Verdauung nicht mehr wahrnehmen, zu denen zum Beispiel auch das Abtöten von Keimen und Bakterien im Nahrungsbrei gehört.
Säureblocker werden meist sehr langsam über einen längeren Zeitraum ausgeschlichen. Aber ist das überhaupt notwendig?
Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass es (wie bei Menschen) bei abruptem Absetzen des Protonenpumpenhemmers zu einem sogenannten Rebound - Effekt käme: Es wird deutlich mehr Magensäure produziert. Und schon gibt es wieder einen Säureüberschuss.
Im Therapieplan deines Tierarztes wirst du bei einer Magengeschwürbehandlung mit hoher Sicherheit sehen, dass der Säureblocker Omeprazol über Wochen ausgeschlichen wird. Die genaue Empfehlung richtet sich natürlich immer nach den individuellen Gegebenheiten. Aber grundsätzlich wird die Menge im Laufe der Therapie langsam abnehmen.
Erste, neue Studien zeigen allerdings, dass dieser Rebound-Effekt durchaus umstritten ist. Eine aktuelle Studie aus 2023 wollte diesen Effekt an 14 Rennpferden nachweisen. Diese erhielten über 57 Tage täglich Omeprazol. Die Hypothese der Wissenschaftler war, dass die Gastrin-Werte unter Omeprazol-Gabe deutlich ansteigen werden und nach Absetzen des Protonenpumpenhemmers auch noch eine längere Zeit erhöht wären.
Gastrin & Omeprazol
Gastrin ist ein Hormon, dass die Magensäureproduktion anregt. Gastrin wird normalerweise über den ph-Wert im Magen reguliert.
Omeprazol hemmt diesen Rückkopplungsmechanismus. Während der Behandlung mit Omeprazol sind die Gastrin-Werte deutlich erhöht.
In dieser Studie wurde Omeprazol nach 57 Tagen ohne Ausschleichen abgesetzt. Während der Behandlung verdoppelten sich die Gastrin-Werte, allerdings wurden bei allen Teilnehmern schon 48 Stunden nach Ende der Therapie reguläre Gastrin-Werte gemessen.
Der Rebound - Effekt ist zumindest laut dieser Studie also deutlich kurzweiliger als angenommen. Die Forschungsgruppe um Dr. Ben Sykes empfiehlt daher, Omeprazol nicht auszuschleichen, sondern diese 48 Stunden-Periode zu optimieren:
Freizeit und Ruhe. Kein Training, kein Stress.
Unbegrenzt Raufutter (achte auf hochwertiges Heu)
Keine Entzündungshemmer oder andere Medikamente, die den Magen reizen können
In dieser Phase kannst du auch schon Säurepuffer und Magenschoner einsetzen.
Allerdings steckt die Forschung zum Thema Omeprazol und Rebound-Effekt beim Pferd noch in den Kinderschuhen.
Säureblocker wie Omeprazol sind verschreibungspflichtig und dürfen nur nach Absprache mit dem Tierarzt verabreicht werden. Für die Prävention und die tägliche oder auch kurzfristige Unterstützung des Pferdemagens sind Säurepuffer und Magenschutz-Produkte sinnvoller.
Welche Maßnahme für dich und dein Pferd die geeignetste ist, solltest du grundsätzlich mit deinem Tierarzt besprechen.
Bei akuten Magengeschwüren ist die klassische Behandlung mit einem Säureblocker normalerweise notwendig. Magengeschwüre sind schmerzhaft und führen häufig zu Folgekrankheiten wie Koliken, wir sollten sie daher nicht auf die leichte Schulter nehmen und möglichst schnell in die Behandlung starten.
Nach erfolgreicher Therapie oder auch vorbeugend, zum Beispiel bei magensensiblen Pferden, können Magenschoner und Säurepuffer eine sinnvolle Ergänzung sein. Eine Ergänzung zur optimierten Haltung und Fütterung, die immer die wichtigste Maßnahme zur Bekämpfung von Magenproblemen vorstellen.
Quellen:
Clark B, Steel C, Vokes J, et al. Evaluation of the effects of medium-term (57-day) omeprazole administration and of omeprazole discontinuation on serum gastrin and serum chromogranin A concentrations in the horse. J Vet Intern Med. 2023; 37(4): 1537-1543. doi:10.1111/jvim.16795
Sykes, B.W. (2021), A free ride: Is long-term omeprazole therapy safe and effective?. Equine Vet Educ, 33: 556-560. https://doi.org/10.1111/eve.13458
Vokes, J.; Lovett, A.; Sykes, B. Equine Gastric Ulcer Syndrome: An Update on Current Knowledge. Animals 2023, 13, 1261. https://doi.org/10.3390/ani13071261
Shan, R.; Steel, C.M.; Sykes, B. The Impact of Two Recommended Withholding Periods for Omeprazole and the Use of a Nutraceutical Supplement on Recurrence of Equine Gastric Ulcer Syndrome in Thoroughbred Racehorses. Animals 2023, 13, 1823. https://doi.org/10.3390/ani13111823
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